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Erfahrungsbericht

Frau Paula R., eine 1988 geb. junge Frau mit Down-Syndrom ist bereits seit 2007 stolze Budgetnehmerin. Sie wohnt noch bei ihren Eltern und arbeitet im Rahmen eines sog. Werkstatt-Außenarbeitsplatzes als Helferin in der Pflege und Hauswirtschaft in einem Altenheim. Nach der ersten Antragstellung beim Sozialhilfeträger und im Abstand von jeweils zwei Jahren fanden Budgetkonferenzen statt, an denen Frau R. selbst, ihre Eltern und Vertreter des Bezirks Mittelfranken (als zuständiger Leistungsträger) teilgenommen haben. Bei den Budgetkonferenzen wurde die jeweils aktuelle Lebenssituation von Frau R. besprochen, sie und ihre Eltern wurden bezüglich der Zufriedenheit mit dem Budget befragt und die Höhe und Ausgestaltung des Budgets wurde der sich ändernden Lebenssituation angepasst.

Frau R. hat mehrere Freizeitassistentinnen, die sie bei verschiedenen Unternehmungen, wie z.B. Kino- oder Thermenbesuchen, bei denen auch ihre Freundinnen dabei sein können, begleiten. Auch beim Einkaufen oder beim Urlaub ohne Eltern sind die in etwa gleichaltrigen Assistentinnen eine wichtige Unterstützung, die Frau R. und ihre Eltern nicht mehr missen wollen. Über das "Dienstliche" hinaus hat sich zwischen Frau R. und ihren Assistentinnen ein herzliches, freundschaftliches Verhältnis entwickelt, das Frau R. spürbar gut tut. Die Freizeitassistenten sind über die Minijob-Zentrale angemeldet und werden als sog. Laienhelfer vom bewilligten Persönlichen Budget bezahlt.

Zudem wurden zwei Fachleistungsstunden/Woche beantragt und bewilligt. Einmal in der Woche wird Frau R. von einer früheren Montessori-Pädagogin in lebenspraktischen und kognitiven Belangen unterstützt und gefördert, um erworbene Fähigkeiten zu erhalten und weiter auszubauen. "Nicht nur beim Umgang mit Geld profitiert unserer Tochter enorm davon," stellt die Mutter fest und betont, dass das Persönliche Budget eine mittlerweile unentbehrliche Entlastung für die Familie ist, neue Entwicklungen für ihre Tochter ermöglicht und allen Familienmitgliedern mehr Freiraum ermöglicht. "Auch wenn manches organisiert werden muss und die korrekte Budgetabrechnung einen gewissen Aufwand mit sich bringt, sind wir sehr froh über die Möglichkeiten, die das Persönliche Budget eröffnet," lautet das Resumee der Familie.

Bei den oben beschriebenen Leistungen handelt es sich um sogenannte Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.

In den Jahren 2009/2010 war auch die Bundesagentur für Arbeit als Leistungsträger beteiligt. Frau R. nahm in dieser Zeit an einer von der Integrationsbegleitung ACCESS Erlangen durchgeführten und begleiteten berufsvorbereitenden Berufsbildungsmaßnahme mit Praktika in verschiedenen Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes teil. Diese Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben wurde von der Bundesagentur für Arbeit auf Antrag im Rahmen eines Persönlichen Budgets finanziert.

Auch die Kosten für die Begleitung an einem Werkstatt-Außenarbeitsplatz im Altenheim, in dem Frau R. seit April 2010 tätig ist, wurden von Familie R. als Persönliches Budget beantragt. Frau R. hätte dann selbst auswählen können, welche Person oder welcher Fachdienst sie am Arbeitsplatz unterstützt und hätte diese Unterstützung mit dem Persönlichen Budet bezahlen können.

Im Arbeitsbereich einer WfbM (Werkstatt für Menschen mit Behinderung) ist der Sozialhilfeträger (in diesem Fall der Bezirk Mittelfranken) der zuständige Leistungsträger. Dieser hat den Antrag von Frau R. auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines Persönlichen Budgets aus verschiedenen Gründen abgelehnt und Frau R. stattdessen auf die Sachleistung verweisen. Das bedeutet, dass derzeit der Bezirk Mittelfranken das Geld an die WfbM bezahlt und diese dann die Unterstützung von Frau R. organisiert und finanziert.

Diese Ablehnung des Antrags ist aus unserer Sicht nicht mit der geltenden Rechtslage vereinbar, denn gemäß § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX hat ein leistungsberechtigter Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Ausführung der Leistungen als Persönliches Budget. Gemeinsam Leben-Gemeinsam Lernen e.V. unterstützt deshalb die Familie R. ideell und finanziell bei einer Klage gegen den Bezirk Mittelfranken. Wir werden an dieser Stelle über den weiteren Verlauf informieren.

Trotz der insgesamt sehr positiven Einschätzungen von Menschen mit Behinderung, die Erfahrungen als Budgetnehmer haben, kann es also bei der Beantragung oder bei der Organisation Persönlicher Budgets durchaus das eine oder andere Problem geben, das gelöst werden muss. Dazu gehört z.B. auch die Frage, wer die Organisation und Abrechnung des Persönlichen Budgets (die sog. Budgetassistenz) übernimmt und wer dies bezahlt.

Niemand sollte sich jedoch dadurch von der Beantragung eines Persönlichen Budgets abhalten lassen, denn Menschen mit Behinderung haben einen Rechtsanspruch darauf, dass die ihnen per Gesetz zustehenden Leistungen in Form eines Persönlichen Budgets ausgeführt werden! (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB IX)

Weitere bundesweite Praxisbeispiele finden Sie unter:

  • http://www.budget.bmas.de/MarktplatzPB/DE/StdS/Praxisbeispiele/praxisbeispiele_node.html